top of page

Sächsische Zeitung Sebnitz 04.04.2020

Spießrutenlaufen durch Sebnitz

Petra Pansch kommt nach vielen Jahren in eine Stadt zurück, die sie eigentlich nie mehr sehen wollte.

Zu viel war geschehen.

​                              Petra Pansch lebte bis zu ihrer Ausreise 1984 in Sebnitz. Ihre Erinnerungen an diese

                                   Zeit hat sie in ihrem ersten Buch niedergeschrieben. © privat

                                    Von Anja Weber 4 Min. Lesedauer

Eine zierliche Frau mit rötlichen Haaren steht in den Räumen der SZ-Redaktion in Sebnitz. Sie zeigt aus dem Fenster. Genau gegenüber, im ersten Stock in der Schandauer Straße 5, hat sie gearbeitet – als Redakteurin bei der Sächsischen Zeitung. Bis zu ihrer Ausreise 1984.

Petra Pansch, Jahrgang 1952, hält kurz inne. Gedankenverloren schaut sie auf das Haus gegenüber. Kein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Zu emotional, vielleicht auch zu qualvoll scheinen ihr die Erinnerungen an ihre letzten beiden Jahre in Sebnitz. Sie wollte eigentlich nie wieder in diese Stadt zurückkommen, in der sie sich einst angepasst und dann nicht mehr wohlgefühlt hat. 1995 hat sie Sebnitz ein letztes Mal besucht, um die Angelegenheiten mit ihrem Gartengrundstück zu regeln, dann nie mehr. Bis heute. Doch bevor sie erzählt, holt sie ein Buch aus ihrer Tasche, mit zitternden Händen: „Vom Ossi zum Wessi – Alles hat seinen Preis“. Es spiegelt ihr Leben in all seinen Facetten wider.

Es ist ihre Vergangenheitsbewältigung, an die Orte zurückzukehren, die ihr Leben mitgeprägt haben, wie ihre Geburtsstadt Meißen und eben auch Sebnitz, die Stadt, in der sie einige Zeit zu Hause war und die sie 1984 verließ, glücklich, in den Westen ausreisen zu können. Umso emotionaler ist ihr Spaziergang durch Sebnitz, von dem nur Aufnahmen der Häuser zurückbleiben. Sie selbst hat darauf verzichtet, sich in Sebnitz fotografieren zu lassen. Dabei hätte es viele Orte gegeben, an denen ein Foto von ihr hätte entstehen können, etwa das Blumengeschäft, in das sie die Narzissen aus ihrem eigenen Garten auf der Heiligen Leite gebracht hat, oder das Haus, in das der Trabi verkauft wurde, bevor sie mit ihrem Mann Horst und ihrem Sohn in den Westen ausreisen durfte.

In den Erinnerungen festgebrannt

Manches beschreibt sie schonungslos in ihrem Buch, manches mit dem augenzwinkernden Blick auf den Sozialismus in der DDR. Zum Beispiel, wie in Sebnitz das Thema Mangelwirtschaft bewältigt wurde. Wer das Buch liest, kann nachvollziehen, wie sehr die Menschen auch in Sebnitz auf der Suche nach Nischen waren. Petra Pansch beschreibt, was sich in ihre Erinnerungen festgebrannt hat. Es ist die kleine Wohnung in der Pablo-Neruda-Straße, heute Kreuzstraße, mit dem provisorisch eingebauten Bad, der Garten an der Heiligen Leite, der um 1995 traurige Berühmtheit erlangte. Die Laube wurde einem Einbrecher zum Verhängnis. Er schnitt sich am Glas und verblutete.

Sie beschreibt den Weg in die Kinderkrippe auf der Langen Straße, Erlebnisse ihres Mannes Horst in der Abus, dem Hebezeugwerk. Sie beschreibt, wie einige ihrer Mitmenschen sie nach dem Ausreiseantrag beschimpften oder sich wegdrehen. Erlebnisse, die Petra Pansch bei ihrem Besuch noch einmal durchleidet. Sie beschreibt, wie ehemalige, ebenfalls ausgewanderte Sebnitzer sie hintergangen haben, wie sie Freundschaft und Zusammenhalt heuchelten. Denn auch die Anfangszeit in ihrer neuen Heimat Montabaur in Rheinland-Pfalz war nicht einfach für sie.

Ihre Eindrücke gewinnen in dem Buch an Dynamik. Sie operiert mit vielen Namen, meist mit Vornamen. Bei wieder anderen hat sie die Namen leicht verändert.

Die Autorin hat ihren Weg gefunden. Nach ihrer Ausreise arbeitete sie bei der Deutschen Presseagentur, in der Presseabteilung der Handwerkskammer in Koblenz sowie als freie Journalistin für Lokalzeitungen in Rheinland-Pfalz.

Das Buch selbst sollte es aber eigentlich so nie geben. „Ich wollte nie über mein Leben schreiben. Vielleicht auch, weil mich die Erinnerungen all die Jahre stark begleitet haben, manche auch verblasst waren“, sagt sie. Doch ihr jetziger Lebensgefährte und ihr Sohn haben sie dazu ermutigt, die Erlebnisse aufzuschreiben, sozusagen als ein Stück Zeitgeschichte. Dennoch habe sie sich schwergetan. Nach einem Jahr war sie mit dem Buch fertig. Petra Pansch überlegt inzwischen auch, ob sie nicht für eine Lesung aus ihrem Buch noch einmal nach Sebnitz zurückkommen und dann vielleicht auch mit ein paar Schnappschüssen mit ihr und der Stadt im Hintergrund im Gepäck wieder zurückfahren sollte.

Shooting Petra Pansch 045 Kopie Kopie.JPG
bottom of page